Am 31. Juli ist die Einreichsphase des Get active Social Business Awards 2024 vorbei. Die bis dahin eingereichten innovativen Projekte und Sozialunternehmen werden anschließend genauestens unter die Lupe genommen. Denn nur die zehn Vielversprechendsten schaffen es in die nächste Runde, in welcher Sie mit unseren Expert:innen weiter an der Entwicklung Ihrer Ideen arbeiten. Doch wer entscheidet eigentlich, welche zu den zehn Finalist:innen zählt und auf welche Kriterien wird dabei besonders viel Augenmerk gelegt?
Um die erste Frage zu beantworten: Die Projekte gehen alle über den Tisch von Dipl.-Ing. Stefan Schöggl, Experte in Sachen Social Business, Nachhaltigkeit, Wirkungs- und SROI-Analysen im NPO Kompetenzzentrum der WU Wien. Die zweite Frage (und weitere) lassen wir ihn aber lieber selber beantworten.
„Dipl.-Ing. Stefan Schöggl (WU Wien)" (c) WU Wien.
Das Kompetenzzentrum für Nonprofit-Organisationen und Social Entrepreneurship der WU begleitet den GASBA schon seit er ins Leben gerufen wurde wissenschaftlich. Konkret führen wir das Erstscreening aller Einreichungen durch, treffen also eine erste Vorauswahl, die auf verschiedenen inhaltlichen Kriterien beruht. Die von der Jury ausgewählten Finalist:innen bekommen von uns ein Coaching zum Thema Wirkungsanalyse und Wirkungsmessung. Und das Siegerprojekt wird von uns in den Monaten nach dem Finale mittels einer Wirkungsanalyse begleitet und evaluiert.
Die Grundlage für ein hohes Wirkungspotenzial eines Projekts ist eine gute und tiefgreifende Problemanalyse, also eine richtige Definition und ein detailliertes Verständnis der Zielgruppe und ihrer Lebensrealität. Weiters sollte so früh wie möglich die Wirkungslogik definiert werden. Inhaltlich ist es empfehlenswert, eher eine konkrete Lösung gescheit zu verfolgen, als viele Lösungen nur ein bisschen anzuschneiden. Weiters sollte es das Projekt in der Form noch nicht in der Praxis geben, es sollte eine augenscheinliche Lücke füllen, Klient:innen also bisher wenige oder keine adäquaten Alternativen vorfinden. Darüber hinaus entscheidend ist die Kompetenz des Teams, sowohl was Expertise im Organisatorischen wie Inhaltlichen und das vorhandene Netzwerk angeht, als auch, dass wirkungsorientiertes statt leistungsorientiertes Denken in der Projektplanung verankert ist, Stichwort Effektivität statt Effizienz. In der Logik der Social Return on Investment (SROI)- Analyse, eine besonders breite Form der Wirkungsanalyse, ist ein großer Wirkungshebel die Input-Outcome-Relation, großes Wirkungspotenzial haben also Projekte, die mit niedrigem Input eine große Wirkung auslösen. Dies geht oftmals mit einer guten Skalierbarkeit einher. Das sind meist Präventivprojekte, was aber die Bedeutung anderer, nicht-präventiver Projekte nicht schmälern soll.
Bei „Innovation“ denken wohl die meisten erst an hochtechnologische Lösungen. Aber Innovation schließt viel mehr ein, dem trägt das Konzept der sozialen Innovation Rechnung. Innovationen zeichnen sich durch Neuheitswert aus, wobei das nicht unbedingt eine Weltneuheit sein muss, sondern auch eine Neuheit im Zielmarkt, bei der Zielgruppe, etc. sein kann. Neuerung allein reicht aber nicht aus, es muss auch ein Nutzen gestiftet werden, also auf ein gesellschaftliches Ziel und gesellschaftlichen Mehrwert hingearbeitet werden. Und es muss eine Überlegenheit zu bestehenden Lösungen vorhanden sein. Soziale Innovationen sind derlei neue Arten von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen, die neue soziale Praktiken etablieren. Ein Beispiel, das wir erst kürzlich mit einer SROI-Analyse untersucht haben, ist die Hobby Lobby, die kostenloses Freizeitangebot für sozioökonomisch benachteiligte Kinder und Jugendliche anbietet, bei dem Freiwillige den Teilnehmenden ihre Hobbies vorstellen. Die Hobby Lobby war auch Finalistin des GASBA 2022.
Schon seit längerer Zeit ist in der Szene zunehmende Professionalität zu beobachten. Dazu kommt eine immer größer werdende, intrinsisch motivierte Orientierung an Wirkungsmessungskonzepten. Viele Sozialunternehmen erheben schon selbst Wirkungskennzahlen für ihr Management, mit Schritten in Richtung wirkungsorientierter Steuerung. Druck dahingehend kommt auch von extern, beispielsweise muss für die Auszeichnung mit dem Verified Social Enterprise-Label ein Wirkungsbericht vorgelegt werden.
Immer noch inhärent ist der Szene ein Ressourcenmangel. Der Fokus der meisten Start-up Programme und Förderschienen liegt nach wie vor auf technologischen Lösungen. Das verbessert sich bereits, beispielhaft seien hier die Förderprogramme wirksam wachsen bzw. wirksam werden des Sozialministeriums zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut genannt. Auch das Interesse an Impact Investment nimmt zu, so ist die Wiener Impact Days-Konferenz seit Jahren im Wachstum und füllt nicht mehr nur den Impact Hub, sondern seit kurzem auch die Hofburg. Nicht unerwähnt sollte in diesem Zusammenhang jedoch bleiben, dass eine solche Finanzierungsform naturgemäß Abhängigkeiten und Einflussnahmen zur Folge hat. Eine weitere Herausforderung ist das Gelingen des Schlagens der Brücke zwischen Theorie und Praxis. Nicht selten scheitern Personen oder Teams, die eine super Idee und viel Motivation aufweisen, an der praktischen Umsetzung. Das liegt dann vor allem an den Rahmenbedingungen, dem Fehlen an notwendigen Partner:innen und an der oben beschriebenen Finanzierungslücke. Es braucht also noch mehr Unterstützung in diesem Feld.
Mein größter Tipp ist, nicht dem Druck nach Effizienz und schnellem Wachstum nachzugeben. Wachstum sollte immer im richtigen Tempo erfolgen und vor allem sollte es kein Selbstzweck sein. Speziell bei Sozialunternehmen sollte im Fokus von Wachstum immer Impact Scaling stehen. Dadurch kann ein großer Fehler vermieden werden, der sogenannte Mission Drift. So bezeichnet man das Phänomen, wenn Organisationen von ihrer eigentlichen Mission abweichen und ineffektiv werden. Weitere oft fatale Fehler sind zu viel oder zu wenig Planung. Zu wenig Planung wäre beispielsweise fehlende Dokumentation nicht nur von Wirkungen, sondern auch von Leistungskennzahlen. Das erschwert strategische Entscheidungen. Ebenfalls zu vermeiden ist zu viel Planung. Im Entrepreneurship heißt es, flexibel zu bleiben und bereit zu sein, Ideen zu verwerfen, sich also nicht zu sehr festzufahren.
Die Szene ist überschaubar, aber lebhaft! Neben dem GASBA gibt es bei uns an der WU noch den Social Impact Award (SIA). Weiters bietet das Social Entrepreneurship Network Austria (SENA) die Sustainable Impact Academy (SuIA) an, bei der ich letztes Jahr Coach war. Für Start-ups im Öko-Bereich gibt es noch das ClimateLaunchpad von Climate-KIC, das ich in Österreich 2021 mitorganisieren durfte, und das greenstart-Programm des Klima- und Energiefonds. Weiters seien hier die Angebote von Ashoka erwähnt, sowie diverser Stiftungen, wie die MEGA Academy der MEGA Bildungsstiftung oder das SEED-Programm der Sinnbildungsstiftung. Und natürlich nehmen wir vom Kompetenzzentrum für Nonprofit-Organisationen und Social Entrepreneurship uns gerne Zeit für Anfragen verschiedenster Arten.
Meine Kollegin Olivia Rauscher, die bei uns den Bereich Wirkungsanalyse leitet, war unlängst beim Inside Impact-Podcast unserer Kolleg:innen am Mikrofon, um über die Grundlagen von Wirkungsanalysen zu sprechen (hier geht’s zur Folge). Die Folge eignet sich hervorragend für einen Einstieg ins Thema. Denjenigen, die sich tiefergehend mit der Materie beschäftigen möchte, sei unser Working Paper ans Herz gelegt, sowie unsere Studienberichte.