Dr. Frank Welle und Swantje Eissing vom Freisinger Fraunhofer Institut

Einweg oder Mehrweg? – Die Flaschenfrage

Coke, Fanta, Sprite & Co. gibt es in unterschiedlichen Größen als Einweg- und Mehrwegflasche. Eine Frage, die sich Coke Fans immer wieder stellen: Welche ist die bessere Verpackungslösung? Darüber haben wir mit Swantje Eissing und Dr. Frank Welle gesprochen. Beide arbeiten und forschen am Fraunhofer IVV in Freising zu Verpackungslösungen der Zukunft. Und sie bringen spannende Antworten mit. 

15/01/2024

Coca‑Cola setzt seit jeher auf einen Verpackungsmix aus Einweg- und Mehrwegflaschen. Welche Verpackung ist denn ökologischer? Welche Flasche hat den kleineren CO2-Fußabdruck?

Swantje Eissing: Da gibt es keine eindeutige Antwort, beide Verpackungslösungen haben ihr Für und Wider. Mehrwegflaschen durchlaufen mehrere Zyklen, das spart Neumaterial. Bei Einwegflaschen wiederum wird heute ein hoher Anteil an rezykliertem, also wiederverwendetem PET eingesetzt. Auch hier besteht also mittlerweile eine Kreislaufwirtschaft – möglich gemacht durch das eingeführte Pfandsystem auf PET-Flaschen.

Einweg-, Mehrweg-, Glasflasche – welche Faktoren bestimmen konkret die Ökobilanz einer Verpackung? In welchen Bereichen punktet die eine Lösung, in welchen die andere?

Swantje Eissing: Gehen wir der Reihe nach: Anders als ihr Name vermuten lässt, bedeuten Einwegflaschen heute einen geschlossenen Kreislauf – dank des Einsatzes von Rezyklaten, die mittlerweile Standard sind. Die Flaschen besitzen eine dünne Wandstärke, das heißt, sie sparen Material und haben das geringste Flaschengewicht. Das bringt wichtige Vorteile für die Logistik: Oft werden die Flaschen erst bei der Abfüllung in ihre Form gebracht und sind vorher nur kleine Vorformlinge oder Kunststoff in Granulatform. Der Einsatz von Rezyklaten wäre übrigens auch in Zukunft für die Schraubverschlüsse denkbar, die dank neuem Aufbau nun an den Flaschen fixiert sind und somit ebenfalls zuverlässig im Flaschenkreislauf verbleiben – die Forschung ist an dem Thema dran.

Mehrweg-PET-Flaschen bringen ebenfalls nachhaltige Vorteile mit sich. Auch sie sind leicht und unzerbrechlich und können dank ihrer Formstabilität mehrfach wiederbefüllt werden. Danach kann das Material wiederum als Rezyklat für Einwegflaschen eingesetzt werden. Glasflaschen punkten bereits seit Jahrzehnten durch ihren geschlossenen Kreislauf. Allerdings besitzt das Material ein hohes Eigengewicht, darum sollte man in der Logistik auf kurze Transportwege achten. In der Produktion verbraucht die Glasschmelze viel Energie. Am Ende ist die Glasflasche jedoch eine praktische Lösung, denn sie gilt als „tischfein“ und servierbereit.

Ganz praktisch gefragt: Woran erkenne ich eine Mehrweg- und eine Einwegflasche?

Eissing: In der Regel erkennt man den Unterschied an den Wandstärken der Flaschen. Bei Mehrwegflaschen wird stärkeres Material verwendet als bei Einwegflaschen, da sie mehr mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, zum Beispiel wiederholter Reinigung, Transport, Befüllung und schließlich der Verwendung durch die Konsument:innen.

Könnte recyceltes PET (rPET) denn die Antwort auf die Verpackungsfrage liefern oder welche Hindernisse bestehen aktuell? Stichwort: Downcycling.

Welle: rPET ist bislang der einzige Kunststoff, für den es eine Lebensmittelzulassung gibt. Er gilt als “Best Practice”-Beispiel auch für andere Kunststoffe und wird durch die EU-Strategie des „Plastic Pact“ (PPWD) unterstützt: Bis 2030 soll europaweit der Einsatz von Rezyklaten gesteigert werden. Das Material ist in der Industrie sehr gefragt: PET-Rezyklate werden nicht nur in Flaschen eingesetzt, sondern auch in Fasern und Folien. Diese werden jedoch nicht oder nur zu einem geringen Anteil recycliert. Bislang kann PET also nur im Kreislauf gehalten werden, wenn es in Flaschen recycliert wird.

Stimmt die Gleichung: Weniger Einweg ist weniger Müll im Meer?

Eissing: Ganz so einfach ist die Gleichung nicht. Viel wichtiger ist die Frage nach einer guten Infrastruktur, sprich Sammelsystemen und der Verwertung von Wertstoffen. Ebenso wichtig ist der Austausch mit den Konsument:innen, denn sie spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft. Nur wenn Wertstoffe gesammelt werden, können sie wiederverwertet werden und landen nicht in der Umwelt. Deshalb sollte jeder und jede von uns gebrauchte Flaschen zu den bekannten Sammelpunkten zurückbringen. Das langjährige Pfandsystem in Deutschland hat dafür bereits einen wichtigen Anreiz geschaffen.

Deutschland gilt ja als „Pfandland“ – seit Jahrzehnten bestehen Rückgabe- und Mehrwegsysteme. Wie gut stehen wir im Vergleich zu anderen Ländern da? Und wo haben wir noch Hausaufgaben zu machen?

Welle: Durch das Pfand kommen nahezu alle PET-Flaschen wieder zurück und können recycliert werden. Die Recyclingquote bei PET-Getränkeflaschen liegt deutschlandweit bei etwa 97,7 Prozent. Europaweit wird dies noch nicht erreicht. Aber andere europäische Länder führen ebenfalls Pfandsysteme ein, um die Recyclingquote zu erhöhen. Die Zeichen stehen also auf Kreislaufwirtschaft.

Nochmal nachgefragt: Wir stehen im Supermarkt und möchten eine Erfrischung kaufen. Zu welcher Flasche greife ich denn nun am besten?

Eissing: Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist jede Flaschenart, wie gesagt, individuell zu betrachten. Ein längerer Transportweg zum Abfüllwerk kann zum Beispiel die vermeintlichen ökologischen Vorteile einer Glasflasche aufheben. Insofern hat jede Flaschenart ihre Berechtigung und wird durch Konsument:innen oft entsprechend des Trinkanlasses ausgewählt: Für ein schönes Essen mit Freunden greift der eine vielleicht eher zur Glasflasche, während auf Reisen die Kunststoffvariante gewählt wird. Ob Mehrweg oder Einweg ist dabei Geschmackssache.

 

Swantje Eissing ist Geschäftsfeldmanagerin Verpackungen am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising.

Dr. Frank Welle leitet dort die Abteilung Produktsicherheit & Analytik. Beide sind Expert:innen für die Entwicklung nachhaltiger Verpackungen.